IBG Geschäftsführer, Arbeitspsychologe Gerhard Klicka im Gespräch mit Udo Seelhofer, im Ö1 Radiokolleg zum Thema »Raus aus dem kollektiven Burnout. Warum man die Work-Life-Balance ernst nehmen sollte.«
Seit 2020 gibt es eine weltweite Pandemie, den Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, steigende Preise. All das sind schwierige Herausforderungen. Viele Menschen stellen sich die Frage, wo das Ganze noch hinführen soll und ob es sich angesichts der ganzen Probleme überhaupt noch lohnt zur Arbeit zu gehen.
G.Klicka: Diese Krisen gehen nicht spurlos an uns vorüber. Das sind alles Themen, die hatten wir vor fünf Jahren noch nicht. Da hatten wir ein unbeschwertes Leben. Nun bedrücken uns diese Begleiterscheinungen wie Zukunftsängste, Existenzängste, wie geht es weiter. Ängste, die sich unterschiedlich zeigen und Menschen die unterschiedlich damit umgehen.
Ängste, die den Menschen auf der Seele liegen. Sogar von einem kollektiven Burnout ist die Rede. Deshalb ist es besonders wichtig, ein angenehmes Arbeitsklima im Betrieb zu schaffen.
Gerhard Klicka: Verschiedene Faktoren sind für ein gutes Betriebsklima ausschlaggebend. Wie zum Beispiel Führungsstil, Führungskultur, individuelle Möglichkeiten, die Zusammenarbeit an sich, sinnstiftende Tätigkeit. Welche Werte werden gelebt, Wertschätzung, die Zusammenarbeit an sich, zu wissen warum man etwas tut und die Arbeitsbewähltigung an sich – weder unter- noch überfordert zu sein.
Gerade im Bereich der Führungskräfte gibt es oft Probleme. Viele bringen trotz Schulungen nicht die Fähigkeiten mit, die es braucht Menschen zu führen und zu motivieren.
G.KLicka: Das war schon immer ein wesentliches Thema in Unternehmen. Wenn es um die Auswahl von Führungskräften geht, dass es nicht nur um das Senioritätsprinzip geht, d.h. wenn man schon lange dabei ist in einem Unternehmen, dass man dann irgendwann auch mal Führungskraft wird, egal welche Qualifikation man mitbringt. Sondern, dass es auch bestimmte Fähigkeiten braucht und man muss auch sagen, dass sich nicht jede Frau, jeder Mann sich von der Persönlichkeit her als Führungskraft eignet. Und genau das wird oft zu wenig berücksichtigt.
Ein weiteres Problem sei, dass Mitarbeiter:innenführung oft nur nebenbei geschehe. Führungskräfte müssen oft auch andere Aufgaben erledigen und können sich nicht nur auf das Führen konzentrieren. Ob jemand geeignet sei, in einer Firma Menschen zu leiten hänge vor allem von einer Eigenschaft ab.
G.Klicka: Führungskräfte brauchen Empathie und Einfühlungsmöglichkeiten, sie müssen auf Menschen eingehen können. Sie brauchen die Zeit und die Fähigkeit, mit Menschen in Beziehung treten zu können. Zu wissen, was jeder Einzelne individuell braucht. Es gibt unterschiedliche Persönlichkeiten. Der eine mag eher seine Ruhe haben, der andere braucht mehr Interaktion mit anderen. Da auch auf Individuen eingehen zu können, die Zeit und vor allem auch die Fähigkeit zu haben, Menschen zu motivieren. Auch das Wissen, wie kann ich jemand herausfordern, wie kann ich jemand einbeziehen. Wie kann ich jemand das Abenteuer ICH leben lassen, so dass er gerne zur Arbeit kommt und seine Arbeit tun will, kann und darf.
Um ein optimales Arbeitsklima zu schaffen, ist es nicht nur wichtig seine Mitarbeiter:innen und ihre Bedürfnisse zu kennen, sondern sie auch genau zu beobachten. Damit ich weiß, wo ist der grüne Bereich, wo ist der gelbe, wo ist der rote Bereich. Kurzfrisitig kann es notwendig sein, in den roten Bereich hineinzugehen und zwar wenn ein Projekt zum Abschluss gebracht werden muss. Aber da muss man sich klar sein, das kann nur kurzfristig sein. Sobald es in den chronischen Bereich geht, werden die Mitarbeiter krank, unproduktiv, brechen weg, verlassen das Unternehmen. Das heißt man tut dem Unternehmen sicher nichts Gutes.
Menschen wollen produktiv sein, wenn sie Sinnvolles machen können, was sie auch wirklich können, wofür sie geeignet sind und da eben zu schauen und zu beobachten ist der Punkt um nicht in die Überforderung zu gehen. Um eine solche Überforderung zu verhindern ist eine gute Work-Life-Balance notwendig.
Immer öfter geht es in Firmen auch um die Frage, wie ältere Mitarbeiter:innen im Betrieb gehalten werden können.
G.KLicka: Es geht darum zu schauen, dass man die Bedürfnisse der Menschen in dieser höheren Altersgruppe auch ernst nimmt und auch einmal kennt und hier diese Diversität, die Unterschiedlichkeit einfließen lässt in die Kultur und in das Zusammenleben eines Unternehmens. Unternehmen waren jeher immer ausgerichtet auf eine Prime-Age-Gruppe so zwischen 30 und 40. Aber, wie kann man diese unterschiedlichen Fähigkeiten auch abbilden im Unternehmen und wie kann ich diese sinnvoll nutzen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern rät Klicka sich intensiv mit den eigenen Grenzen auseinanderzusetzen. Zu schauen, was will ich, wieviel will ich arbeiten, was ist mir meine Freizeit wert, was will ich in meiner Freizeit tun. Auch ungestört tun im Sinne von Erreichbarkeit. Das heißt, das Handy abschalten, nicht immer aufs Handy schauen. Diese bewußte Achtsamkeit damit umzugehen, wie ich mein Leben anlege. Dieses unreflektierte, einfach Tun kann dazu führen, dass man in einem Burnout landet. Das heißt, je bewußter man sich mit Dingen auseinandersetzt, und sich auch Grenzen setzt, sich überlegt, was will ich denn überhaupt und das auch umsetzt, desto bester ist man gewappnet um nicht in einem Burnout zu landen.