Ein wenig beachtetes Thema der menschlichen und produktiven Arbeitsgestaltung sind die unterschiedlichen Chronotypen (Zeit-Typen). Es geht um die bevorzugte Schlaf- und Aktivitätszeiten, die individuell genetisch geprägt sind. Helmut Stadlbauer, Arbeitsmediziner und IBG Bereichsleiter Gesunde Arbeitszeiten im Gespräch mit DerStandard. Die Ausweitung von Homeoffice in der Coronazeit führte zu einer Reduktion von Tagesmüdigkeit, v.a. bei Normal- und Spättypen, also der überwiegenden Mehrheit der Mitarbeiter:innen. Sie stehen später auf als an Tagen mit Anwesenheit im Büro, die Schlafdauer und -qualität wird an Homeoffice-Tagen besser. Für die betriebliche Gesundheitsvorsorge wird daher die Berücksichtigung der Chronotypen und Informationsangebote zu gutem Schlafverhalten dringend empfohlen.
„Wir sind die Pioniere, wenn es um betriebliches Gesundheitsmanagement geht. Mit unserem großartigen Team aus Expert:innen sämtlicher Professionen, unseren zertifizierten Prozessen und Betriebsambulanzen bringen wir Gesundheit und Arbeit in Übereinstimmung. Wir wissen, dass Produktivität und Wohlbefinden keine Gegensätze darstellen.“
Im Durchschnitt haben wir 39 Millionen Lebensminuten zur Verfügung. Jede davon ist einmalig, jede davon unwiederbringlich und jede davon bietet uns die Chance mit Leben, Freude und Sinn erfüllt zu werden.
Wir alle kennen das: Schon wieder 30 Minuten auf Facebook verbracht, viel zu lange auf ein Mail gewartet, ewig im Stau gestanden. Wir verbringen unsere Zeit mit den unterschiedlichsten Dingen. Manche sind unerwünscht, andere können wunderschön sein. Das Treffen mit Freunden kann ebenso erholsam und unterhaltsam sein, wie ein gutes Buch oder ein Film. Doch selten durchleben wir diese Momente bewusst. Sobald wir wissen, womit und wofür wir unsere Zeit verbringen, ist es uns besser möglich, die Grenze zugunsten der schönen Augenblicke zu verschieben und bewusster zu genießen. Dazu ein paar Ideen:
Schreiben Sie einen Tag lang auf, was Sie mit Ihrer Zeit anstellen und schenken Sie sich dadurch einen neuen Blick auf die Möglichkeiten, die sich bieten.
Je älter wir werden, desto schneller scheint die Zeit zu verrinnen: Wir sind es gewohnt in Routinen zu leben und haben z.T. verlernt wie Kinder uns an Neuem zu erfreuen: Ein offener Zugang für Veränderung und das Durchbrechen von eingerosteten Alltagsabläufen könnte Abhilfe schaffen.
Probieren Sie Augenblicke bewusster wahrzunehmen: Vertiefen Sie sich in ein Buch; beobachten Sie Leute, wenn Sie warten, trainieren Sie ihr Gedächtnis mit Denkaufgaben – das bildet neue Synapsen im Gehirn.
Wir tendieren dazu gewonnene Zeit sofort wieder zu verplanen. Das verursacht Stress und nimmt die Zeit für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse.
Foto von Jordan Benton: www.pexels.com
Zeit ist kostbar: Es ist oft nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel, die wir nicht nutzen!
Was Sie sonst noch über gute und schlechte Schlafgewohnheiten, Leistungsfähigkeit etc. wissen möchten, lesen Sie hier weiterführend im Presse Newsletter mit Arbeitsmediziner und Leiter des IBG Bereiches Gesunde Arbeitszeiten, Helmut Stadlbauer.
Umfangreicher Beitrag zum Thema Schlaf in der Wochenendausgabe des DerStandard mit IBG Experten und Arbeitsmediziner Helmut Stadlbauer. Es geht u.a. um Arbeit, Schlafgewohnheiten und Leistungsfähigkeit. Weshalb man bei Schlafstörungen lieber die Finger vom Screen lassen sollte und wonach sich die nächtliche Schlafdauer richtet.
Schlafforscher kritisieren seit Jahren die starren Arbeits- und Schulzeitmodelle. Denn unterschiedliche Chronotypen („Lerchen“ und „Eulen“) passen nicht in denselben Zeitraster. Homeoffice und Pandemie lockern jetzt das Korsett. Im Interview erklärt Arbeitsmediziner Dr. Helmut Stadlbauer, IBG-Bereichsleiter »Gesunde Arbeitszeiten« und Experte für gesundheitsoptimierte Arbeitszeitgestaltung, wie viel Schlaf für welche Chronotypen am sinnvollsten ist, wann man am besten geweckt wird und warum regelmäßige Nachtschichten an die gesundheitliche Substanz gehen.
Schlafforscher kritisieren seit Jahren die starren Arbeits- und Schulzeitmodelle. Denn unterschiedliche Chronotypen („Lerchen“ und „Eulen“) passen nicht in denselben Zeitraster. Homeoffice und Pandemie lockern jetzt das Korsett.
Schlafmangel macht krank und ist leistungsmindernd. Studien beziffern den volkswirtschaftlichen Schaden durch von Übermüdung ausgelösten Fehlzeiten und Schadensfällen allein für Deutschland mit 60 Milliarden Euro.
Das Schlafbedürfnis der Menschen ist zu weiten Teilen genetisch bedingt. Bei der Schlafdauer der Erwachsenen gibt es eine Verteilungskurve, die bei drei bis vier Schlafstunden beginnt und bei elf bis zwölf Stunden endet. Alles dazwischen darf als „normal“ bezeichnet werden.
Wien, 07.02.2022. Von Angela Merkel wird erzählt, dass die deutsche Bundeskanzlerin in ihrer Amtszeit nie länger als vier Stunden täglich geschlafen habe. Von Albert Einstein heißt es, dass er stets nach zehn bis elf Stunden Nachtschlaf plus eine regelmäßige Mittagsruhe verlangt habe – ansonsten sah er den Tag als verloren an. Die Beispiele zeigen: Das Schlafbedürfnis von Menschen ist individuell ausgeprägt und sagt nichts über das Leistungsvermögen des Einzelnen aus. IBG-Arbeitsmediziner Dr. Helmut Stadlbauer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Auswirkungen von Schlaf- und Arbeitsrhythmen auf Gesundheit und Produktivität von Arbeitnehmer:innen und nachhaltigen Schichtmodellen für Unternehmen. Er plädiert für die Anwendung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, die jedem einzelnen erlauben, sein Leistungsoptimum einzubringen.
Mit dem Durchbruch von Homeoffice und dislozierten Arbeitsplätzen haben sich die starren Modelle des Arbeitens von 8 bis 17 Uhr gelockert. Aus Sicht der Schlafforscher und Arbeitsmediziner eine gute Nachricht: Seit Jahren prangern die Wissenschafter die starren Arbeitszeitmodelle an, die der arbeitenden Bevölkerung den gleichen Rhythmus aufzwingen. – one size fits all. Sie raten auch, das Acht-Uhr-Dogma des Schulbeginns zu überdenken. Denn viele Menschen – von Kindesalter bis zum Rentendasein – leiden unter chronischem „Sozialen Jetlag“. Die Jungen, weil sie nicht länger schlafen dürfen, die Alten, weil sie das Schlafen verlernt haben. Schlaf ist aber kein Luxus. Er ist essenziell für Körper und Geist. Er bildet die Grundlage für unser akutes Wohlbefinden, langfristige Gesundheit und – aus Sicht des Arbeitsmediziners – nachhaltigen Leistungsvermögens. Zu wenig oder schlechter Schlaf machen Menschen krank und anfällig für Fehler. Die Explosion des Atomreaktors von Tschernobyl oder das Tankerunglück der Exxon Valdez sind zwei Beispiele, bei denen – neben anderen Faktoren – Schlafmangel des Personals eine große Rolle gespielt haben. Von den Folgen von Übermüdung am Steuer lesen wir jeden Tag in der Zeitung. Lesen Sie im Gespräch mit Dr. Helmut Stadlbauer, warum gesunder Schlaf so wichtig ist, wie Spättypen („Eulen“) ihr ganzes Leben gegen die innere Uhr kämpfen und dass Napoleon und Einstein noch weniger gemeinsam hatten als gemeinhin angenommen.
INTERVIEW: „Schlafentzug bedeutet immer Stress.“
IBG-Arbeitsmediziner Dr. Helmut Stadlbauer ärgert sich im Interview, dass Spättypen („Eulen“) in der herkömmlichen Arbeitszeitgestaltung völlig vernachlässigt werden und dadurch jede Menge Leistungspotential verloren geht. Der Linzer Fachbuchautor erklärt auch, wie viel Schlaf für welche Chronotypen am sinnvollsten ist, wann man am besten geweckt wird und warum regelmäßige Nachtschichten an die gesundheitliche Substanz gehen.
Jürgen Zulley, emeritierter Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums am Universitätsklinikum Regensburg und einer der bekanntesten deutschen Schlafforscher, schreibt in einem Essay: „Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank“. Ist die Wirkung von Schlafmangel oder -entzug so krass?
Das ist zwar zugespitzt formuliert, aber im Kern richtig. Es ist durch zahlreiche Studien belegt, dass Schlafmangel unkonzentriert und fehleranfällig macht und zudem auf die Stimmung drückt. Ob man diese Umstände als dumm bezeichnen kann, weiß ich nicht. Bei den Zuordnungen von „dick“ und „krank“ ist ein Urteil einfacher: Schlafmangel führt bei vielen Menschen zur Gewichtszunahme. Damit ist in erster Linie jene Menschengruppe gemeint, die Stress durch Belohnung in Form von Essen und Trinken kompensiert.
Was hat Schlafentzug mit Adrenalin zu tun?
Schlafentzug bedeutet immer Stress. Daher konsumieren Menschen mit sozialem Jetlag bzw. späte Chronotypen größere Menge von Nikotin, Alkohol und Koffein. Auch Zusammenhänge mit einem erhöhten Body-Mass-Index, Stoffwechselstörungen und Depressionen wurden gefunden. Viele Betroffene machen den Kühlschrank zu ihrem Ventil – meist in Zusammenhang mit fehlender Bewegung, weil „keine Zeit“ für Bewegung und fehlende Motivation wegen Müdigkeit. Die Forscher der RAND Europe Studie stellten fest, dass das Sterblichkeitsrisiko bei einer nächtlichen Schlafdauer von sechs Stunden und weniger um zehn Prozent höher ist, als bei einer individuellen Schlafdauer zwischen sieben und neun Stunden. Diese prozentuale Wahrscheinlichkeit beinhaltet sämtliche Todesursachen, inklusive Autounfälle, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Schlaganfälle. Gesunder und ausreichender Nachtschlaf bildet die Basis eines gesunden und langen Lebens. Das legen auch Ergebnisse über die Folgen von Schichtarbeit nahe: Schichtarbeit ist mit einer verkürzten Lebenserwartung verbunden und wird mit einem höheren Risiko für Krebserkrankungen in Verbindung gebracht, neben weiteren Gesundheitsproblemen. Diese Betrachtungen haben auch wirtschaftliche Auswirkungen.
Was ist damit gemeint? Langfristig erhöht Schlafmangel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Depressionen. Dieselbe Studie der RAND Corporation beziffert die Kosten dieses kollektiven Schlafmangels in Deutschland auf jährlich 60 Milliarden Euro, wegen Leistungseinbußen, Unfällen, Krankheitstagen. Leider gibt es für Österreich keine vergleichbare Untersuchung.
Gibt es ein Maß, wieviel Schlaf ein Mensch benötigt?
Na klar. Genau so viel, dass Mann/Frau sich ausgeschlafen und fit fühlt! Dieser subjektive Ansatz ist meiner Meinung nach praktikabler als nur mit Statistiken zu argumentieren: Die „normale“ oder empfohlene Schlafdauer kennt viele Faktoren. So ist das Schlafbedürfnis vom Lebensalter abhängig. Säuglinge schlafen sehr viel. Senioren wiederum werden von der „senilen Bettflucht“ getrieben. Sie schlafen weniger als sie möchten. Dazu kommen genetische Faktoren: Bei der Schlafdauer der Erwachsenen gibt es eine Verteilungskurve, die bei etwa drei bis vier Schlafstunden beginnt und bei elf bis zwölf Stunden endet. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Frauen benötigen für das subjektive Gefühl des Ausgeschlafenseins etwa eine Stunde längeren Schlaf als Männer. Körperliche und psychische Anstrengung erhöht subjektiv die Müdigkeit, und beeinflusst das Schlafverhalten. Die Einschlafzeit verkürzt sich, vermutlich – weil nicht mit Studien genau belegt – erhöht sich bei körperlicher Anstrengung die Schlafdauer. Und auch die Umstände beeinflussen das Schlafbedürfnis: Schlafmangel in der Nacht davor erhöht die Schlaftiefe und etwas auch die Schlafdauer in der Folgenacht.
Wie merkt ein Mensch, dass er zu wenig Schlaf hat?
Objektiv benannt: Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, geringere Leistungsfähigkeit geistig und körperlich, Konzentrationsstörungen, schlechtere Motivation …Wenn wir in den medizinisch-pathologischen Bereich gehen, kann es natürlich sein, dass die Selbstwahrnehmung bzw. die kognitiven Fähigkeiten so beeinträchtigt sind, dass das Schlafdefizit gar nicht wahrgenommen wird, z.B. bei Wahnzuständen, bipolaren Störungen (manische Phasen).
Angela Merkel hat ihren Arbeitstag so beschrieben, dass sie jahrzehntelang nur vier Stunden am Tag geschlafen habe. Muss man sich um Frau Merkel aus Sicht des Schlafforschers Sorgen machen?
Es gibt ein Schlafminimum von etwa drei bis vier Stunden, der sogenannte „Kernschlaf“, den jeder braucht, um nicht binnen weniger Tage zusammenzuklappen oder in psychisch auffällige Zustände zu kippen. Das geringe Schlafbedürfnis von Frau Merkel ist aus historischer Sicht aber kein Einzelphänomen. So soll auch Napoleon ein ausgeprägter Kurzschläfer gewesen sein, der sich rühmte, in der Nacht nur fünf Stunden zu schlafen. Am anderen Ende stehen verdiente Persönlichkeiten wie Albert Einstein, der nach zehn bis elf Stunden Nachtschlaf plus einen regelmäßigen Mittagsschlaf verlangte. Die Beispiele sollen zeigen: Es ist keine Frage der Intelligenz oder der persönlichen Leistung, wie viel Schlaf jemand braucht, sondern v.a. eine genetische Frage, so wie auch beim Chronotyp, also, ob jemand eine Lerchen- oder eine Eulen-Disposition aufweist.
Langschläfer galten als faul und Frühaufsteher als besonders zielstrebig. Hat diese Kategorisierung aus Sicht der Schlafforschung Bestand?
Schlafgewohnheiten sind in erster Linie genetisch bedingt. Kurzschläfer werden gerade in unserer Leistungsgesellschaft eindeutig bevorzugt! So wie auch die Frühtypen, die bereits am Morgen unter Strom stehen! Das sind die Leistungstypen, die um sechs Uhr eine Stunde Tennis und eine halbe Stunde Yoga hinter sich haben. Spättypen mit langer Schlafdauer, aber hoher nächtlicher Leistungsfähigkeit kämpfen ihr Leben lang damit, dass sie nie ihr Potential ausschöpfen können. Wenn sie am fittesten sind, ist die Regelarbeitszeit vorbei. Sie puschen sich mit viel Koffein, Nikotin und Alkohol zur Stimmungsaufhellung. Anders ist der übliche Tagesablauf für diese Chronotypen nur schwer zu bewältigen.
Studien unterscheiden zwischen Schlafdauer und Schlafqualität. Was ist ein hochqualitativer Schlaf und wie äußert er sich beim Menschen?
Damit Schlaf als erholsam – und als qualitativ gut – erlebt wird, müssen offenbar neben einer gewissen Schlafdauer auch bestimmte Schlafphasen durchlaufen werden. Das wird auch als Schlafarchitektur bezeichnet. Diese unterschiedlichen Schlafphasen sind mittels EEG im Schlaflabor bestimmbar. Es handelt sich um eine regelhafte Abfolge von sogenannten Non-REM- und REM-Phasen. REM steht für Rapid Eye Movements. Das sind Phasen von sehr lebhaften Handlungsträumen. Non-REM-Phasen werden auch als Tiefschlafphasen bezeichnet – wobei die Tiefe von Phase zu Phase in einer Nacht immer seichter wird. Wenn diese regelhafte Schlafarchitektur gestört ist, wird der Schlaf meist als wenig erholsam erlebt.
Auf welche negativen Störreize reagieren schlafende Menschen am heftigsten?
Das ist sehr individuell. Die Einflüsse können von außen kommen wie Lärm und Licht. Häufiger leiden wir aber unter inneren Störfaktoren wie innerer Anspannung, belastenden Gedanken, starken Emotionen, aber auch Alkohol, üppige Mahlzeiten und gewissen Medikamente können eine Rolle spielen. Letztere Faktoren können die Schlafarchitektur stören. Auch Menschen mit Schlafapnoe klagen über massive Beeinträchtigungen. Die Atemaussetzer im Schlaf führen wegen des Sauerstoffmangels zu mehrfachem kurzem Erwachen, ohne dass man das bewusst registriert.
Warum ist geweckt werden für viele so fürchterlich?
Der Weckzeitpunkt beeinflusst, wie ausgeschlafen man sich fühlt. Wecken wird als schrecklich erlebt, wenn es inmitten der einzelnen Schlafphasen erfolgt – egal ob Non-REM-Phase oder REM-Phase. Am leichtesten fällt geweckt werden am Beginn und Ende der Non-REM-Phasen, da ist der Schlaf am seichtesten. Diesen Effekt machen sich sogenannte Schlafphasenwecker zunutze. Sie registrieren Schlafphasen und wecken manchmal auch vor der eingestellten Weckzeit, wenn die Schlafphase dafür günstig ist.
Ist Nachtschlaf und Schlaf zu Tageszeiten gleichwertig?
Ja und nein – es kommt eher auf die Umstände an – welcher Chronotyp man ist, in welchem Lebensalter man sich befindet etc. So können ältere Schichtarbeiter nach einer Nachtschicht am Vormittag oft nur mehr zwei bis drei Stunden schlafen, während jüngere Kollegen dies noch locker wegstecken. Die Störungen von außen, wie Licht und Lärm sind am Tag natürlich heftiger als um ein Uhr nachts. Daher gibt es umfangreiche Empfehlungen für Schichtarbeiter zum Lärm-/Lichtschutz.
Ist der Schlaf vor Mitternacht gesünder?
Ich halte nichts von dieser „Volksweisheit“. Bei Frühtypen oder frühen Normaltypen mag hier der Schlaf in der/den ersten Non-REM-Phasen am tiefsten sein. Aber sicher nicht bei Spättypen, die vor Mitternacht nur bei ausgeprägtem Schlafdefizit schlafen können.
Mit welchen Auswirkungen muss ein Mensch rechnen, der in seinem Berufsleben durch Schichtbetrieb oder viel Nachtarbeit unregelmäßige Schlafzeiten hatte? Die Auswirkungen von jahrelanger Nacht-Schichtarbeit sind in zahlreichen Studien untersucht worden. Wer längere Zeit im Wechselschicht-Rhythmus mit Nachtschichten lebt, kämpft mit höherer Wahrscheinlichkeit mit anhaltenden Schlafstörungen – auch nach Beendigung der Schichtarbeitsphase. Es kommt vermehrt zu Depressionen, zudem ist mit Störungen der Immunabwehr zu rechnen, was sich in erhöhter Infektneigung, aber auch gesteigertem Krebsrisiko äußert. In Summe sind das wohl Zeichen einer chronischen Überforderung (Stressreaktion) des Organismus.
Es gibt ernstzunehmende Studien, die bei langjähriger Nacht-Schicht-Arbeit eine Auswirkung auf die Lebenserwartung belegen. Eine US-Studie unter Krankenschwestern hat in diesem Punkt eindeutige Ergebnisse gebracht. Die Auswirkungen von Schichtarbeit, die nicht Nachtarbeit umfasst, scheinen deutlich weniger gesundheitsbeeinträchtigend zu sein. Wobei das alles methodisch schwierig ist, da es unzählige Varianten von Schichtarbeit gibt.
Wie definiert ein Arbeitsmediziner Nachtarbeit?
Das hängt wieder einmal von der Chronotypologie ab: Für einen Spättypen haben schon typische Frühschichten, die zwischen fünf und sechs Uhr beginnen, negative Auswirkungen. Das ist für junge Schichtarbeiter die belastendste Schicht. Noch krasser sind die Auswirkungen im öffentlichen Verkehr, wenn Schichten z.B. um vier Uhr beginnen. Oder umgekehrt bei Frühtypen, wenn Schichten bis 24 Uhr oder ein Uhr oder noch länger dauern, wie sie im Gastgewerbe notwendig sind.
Kann man auch zu viel schlafen? Ich persönlich glaube: Nein. Es gibt Studien, die diese These vertreten. Meine Meinung ist, dass da die Kausalität in die umgekehrte Richtung geht: Übermäßig lange Schlafbedürfnisse sind das Ergebnis einer Erkrankung und nicht umgekehrt. Zu berücksichtigen ist bei dieser Frage aber auch wieder das Thema des Aufwachens in der „richtigen“ Schlafphase: Wenn ich zu Beginn oder Ende einer Non-REM-Phase aufwache, bringt mir das für meine Befindlichkeit mehr als länger zu schlafen und in der „falschen“ Phase geweckt zu werden.
Hat ein Mittagsschläfchen physiologische Bedeutung? Ja! Da gibt es auch gute Belege dafür, dass ein Power Nap die Wachheit und Leistungsfähigkeit für einige Stunden verbessert. Unter Power Nap ist allerdings ein sehr kurzes Schläfchen zu verstehen, das nicht länger als etwa 15 Minuten dauert. Sonst läuft man Gefahr, wirklich in eine Tiefschlafphase zu verfallen. Wenn ich aus einer derartigen Schlafphase nach z.B. einer dreiviertel Stunde geweckt werde, werde ich mich kaum munterer fühlen als vorher. Wenn länger, dann gleich eineinhalb Stunden – dann bin ich wieder in einer seichten Schlafphase und sicher auch erholter als vorher. Leider ist in unserer Kultur das Schlafen untertags – gerade im Arbeitsalltag – verpönt. Das ist etwa in östlichen Kulturen (z.B. Japan) anders. Dort werden Schlafmöglichkeiten am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt.
Zu welchen Tageszeiten ist der Mensch am leistungsfähigsten? Ich muss schon wieder antworten: Kommt drauf an. Generell ist zu bemerken, dass die physiologische Leistungsfähigkeit sehr konstant etwa in der Zeit von 13 bis 15 Uhr einen Einbruch erlebt, und zwar auch ohne Mittagessen, das dafür oft verantwortlich gemacht wird. Gerade in dieser Zeit ist also die Müdigkeit ausgeprägter, und ein Power Nap sehr empfehlenswert. Bei Schichtarbeitern nach der Frühschicht ist klug, am (frühen) Nachmittag „richtig“ zu schlafen, also eineinhalb Stunden (oder länger), um den durch zu baldiges Aufstehen versäumten Schlaf aufzuholen. Schichtarbeitern ist generell zu empfehlen, ihre Schlafdefizite wann immer sie können zu reduzieren – also zu schlafen, wann immer sie die Möglichkeit dazu haben.
Stimmt es, dass die Wirksamkeit einer Impfung mit dem Maß an Schlaf steigt?
Davon habe ich bisher nichts gehört. Aber zu wenig Schlaf stört das Immunsystem. Studien zeigen, dass wenig Schlaf zu einer höheren Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten führt. In Bezug auf Impfungen halte ich Analogien über eine abgeschwächte Immunantwort auf Grund von Schlafmangel für plausibel.
Können Sie Tipps geben, wie Schlafstörungen behoben werden können?
Das Thema Schlafstörungen füllt dicke Bücher, sowohl was ihre Genese anbelangt als auch ihre Therapie bzw. auch Prävention. Hier einige Punkte, die mir wichtig sind:
Suchen Sie sich eine Arbeit (bzw. eine Ausbildung/Schule), die mit Ihren Schlafgewohnheiten/-bedürfnissen vereinbar ist – Stichworte Chronotyp und persönliche Schlafdauer!
Hören Sie auf Ihren Körper, Ihre Psyche, Ihre Befindlichkeit – also auf Ihre Bedürfnisse! Schlaf ist vermutlich genauso individuell wie Sex (der übrigens als Einschlafhilfe empfohlen wird). „Normal“ ist in Fragen des Schlafes relativ. Wir haben Verteilungskurven mit teils extremen Randbereichen!
Wenn Sie sich Schlafstörungen nicht ohnehin erklären können (Außeneinwirkungen, Störungen, Stress, Emotionen, Belastungen …), suchen Sie Rat bei Fachleuten (Psycholog:innen/Therapeut:innen, Ärzt:innen), insbesondere wenn die Störungen unvermittelt auftreten bzw. länger (über Wochen) andauern oder sehr massiv sind (weniger als drei Stunden Schlaf täglich).
Vorübergehende Schlafstörungen hat wohl jede/r mal – wenn erklärbar, dann versuchen Sie, die Ursache zu beheben. Ein paar Tage oder wenige Wochen hält man weniger/gestörten Schlaf schon aus. Wenn es dann nicht besser wird oder eigene Optimierungsversuche nicht helfen, dann Beratung suchen!
Chronisch gestörter Schlaf (über Monate – Jahre) kann zu massiven Gesundheitsproblemen führen – das sollten Sie wissen und ernst nehmen.
IBG GmbH, gegründet 1995, ist mit über 200 Mitarbeiter:innen, davon 80 Arbeitsmediziner:innen, Österreichs größte Unternehmensberatung im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagement. IBG ist in ganz Österreich vertreten.
Dr. Helmut Stadlbauer, Bereichsleiter Gesunde Arbeitszeiten von IBG, ist Experte für gesundheitsoptimierte Arbeitszeitgestaltung
Wie bei allen Themen finden wir auch beim Home-Office zwei Seiten einer Medaille. Der soziale Kontakt mit den Kolleg:innen und auch zur Führungskraft hat sich als sehr wichtig gezeigt, neben einem großen Wunsch der Mitarbeitenden Homeoffice beizubehalten.
Bei der Frage nach dem idealen Home-Office-Modell kommt wie aus einem Munde: »Ein bis zwei Tage im Büro, um auch meine Kolleg:innen zu sehen«. Home-Office oder besser gesagt Hybrid-Office wird dort, wo es gelebt werden kann, voraussichtlich auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen und ist gekommen, um bleiben zu dürfen. Sämtliche Möglichkeiten virtuelle Zusammengehörigkeit und Teamarbeit trotz »Distanz« zu schaffen, werden damit immer schlagender.
Um die Auswirkungen und auch die aktuelle Situation in den Unternehmen sichtbar zu machen, haben sich viele Unternehmen trotz anhaltender Pandemie dazu entschlossen, auch heuer mit IBG die Evaluierung der psychosozialen Belastungen durchzuführen und dabei das neue IBG Home-Office Modul zu integrieren, das Unternehmen einen Überblick über erfolgreiche Zusammenarbeit und verbliebene Probleme von Teams oder Abteilungen gibt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen können spezifische Herausforderungen aufgespürt, gelöst und das virtuelle Arbeiten nachhaltig optimiert werden.
Kommunikation und Zusammenarbeit
Die Ergebnisse des Home-Office-Moduls zeigen Ähnliches hinsichtlich der Dimension »Kommunikation und Zusammenarbeit«. Wie auch in der Literatur und in Studien immer wieder angeführt, hat sich auch bei diesen Befragungen der soziale Zusammenhalt als ein wichtiges gesundheitsförderndes Potential gezeigt. Der Wegfall von informellen Kontakten zu Kolleg:innen und Führungskräften birgt das Risiko der Vereinsamung sowie ein abnehmendes Team-Gefühl. Das hat sich sehr deutlich als übergreifendes Thema gezeigt.
Neben der Tatsache, dass die Produktivität und Arbeitseffizienz der Mitarbeiter:innen im Homeoffice nicht leidet – ganz im Gegenteil, aber eben sehr wohl der Zusammenhalt und auch die Konfliktlösungen. Das gilt es bei der Gestaltung von Homeoffice-Konzepten zu bedenken, damit die gebotenen Chancen (z.B. fokussierteres, ruhigeres Arbeiten; Nutzen der eigenen leistungsfähigen Tageszeiten) gut genutzt und die Risiken minimiert werden können.
Die Mitarbeiter:innen haben in den persönlichen Rückmeldungen immer wieder erwähnt, dass der Austausch mit den Kolleg:innen am Kaffeeautomaten, ein »Pläuschchen« über das Wochenende und spontane Begegnungen fehlen und sich Maßnahmen gewünscht bzw. positiv hervorgehoben, die teamstärkend wirken und das Miteinander und Gespräche fördern, wie z.B. virtuelle Pausenräume, vereinbarte Zeiten für informellen Austausch (z.B. auch nach einem Meeting oder get together 1x/ Woche, 1/2h) oder virtuelle Mittagspausen – wichtig dabei war die Kombination von digital und Präsenz im Büro.
Der kreative Austausch
Neben der Zusammenarbeit, den informellen Kontakten und der Stimmung im Team wurde auch der kreative Austausch bei allen Unternehmen als negativer beschrieben. Eine Idee skizzieren, ein Scribble anfertigen, Design-Vorschläge besprechen und anpassen etc. geht dank Screen-Share-Funktion auch im Videochat sehr gut.
Aber: kreative Zusammenarbeit wird durch das Beisammensein im selben Raum oft als viel fruchtbarer erlebt. Auch wenn mehrere Personen zeitgleich am selben Projekt arbeiten, kann Homeoffice den Austausch verkomplizieren. Die Kolleg:innen mal eben schnell um ihre Meinung fragen funktioniert besser, wenn man sich im selben Raum aufhält und nicht erst darauf warten muss, dass er oder sie ans Telefon geht oder zurückschreibt.
Ebenso funktionieren Diskussionen auf diese Art und Weise besser – nonverbale Signale werden besser wahrgenommen und verraten wie die einzelnen Personen auf Vorschläge oder Aussagen reagieren. Diese möglichen Grenzen zeigen wieder die Wichtigkeit des technischen Equipments (Fokus auf Qualität; Verfügbarkeit entsprechender CloudLösungen und Chatrooms sowie verschiedene virtuelle Meeting-Tools), von Erreichbarkeitsvereinbarungen und auch Meeting-Strukturen und Konzepten nach einer hybriden Arbeitsweise auf. Natürlich spielen bei all diesen Themen auch die Mitarbeiter*innen-Typen eine wesentliche Rolle – Menschen sind unterschiedlich.
Hybrid-Office als neue Arbeitsform
Dazu werden intensivere Kommunikation, Vertrauen, klar definierte Ziele, eine neue Meeting-Kultur und ein »neues« Führungsverständnis notwendig sein. Auch der Arbeitsplatz vor Ort wird sich dadurch verändern. Neben Desk-Sharing-Konzepten (dem Teilen von Arbeitsplätzen), braucht es Wohlfühlräume, Kommunikationsinseln, Brainstorming-Stationen, aber auch ruhige, abgeschottete Plätze, an denen konzentriertes Arbeiten möglich ist. Um die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen ist es wichtig an den Präsenztagen verstärkt darauf zu achten, Unternehmenskultur und Werte zu vermitteln und damit an der Bindung der Mitarbeiter*innen zu arbeiten. Denn Unternehmenskultur findet im Unternehmen statt.
IBG Gründer, Facharzt für Psychiatrie & Neurologie und Arbeitsmediziner Rudolf Karazman wird in »Arbeit & Wirtschaft« vom 8.9.21 in einem Beitrag von Stefan Mayer zu Arbeitszeitverkürzung zitiert. Karazman hat mit IBG bereits 2002 bei Borealis ein neues Schichtprogramm „eine Fünfer-Schicht“ eingeführt. Diese hat sich nach einigen Widerständen bestens bewährt. Mittlerweile setzt fast die komplette Industrie in Österreich auf dieses Modell. Das Ergebnis – weniger Krankenstände und längerer Verblieb im Betrieb von wichtigen Mitarbeiter*innen in ihren 50ern.
Nachdem wir einen großen Teil unseres Lebens mit Erwerbsarbeit verbringen, sind Fragen der Arbeitszeit in unserem Leben von zentraler Bedeutung.
Die Herausgeber*innen dieser Publikation (erschienen im Verlag ÖGB) haben Beiträge aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft gesammelt und damit unterschiedliche Aspekte von Arbeitszeit beleuchtet. Das Spektrum der 30 Autor*innen reicht von Rechtswissenschaft bis zu Arbeitsmedizin. Dabei wird die nationale wie auch die europäische Dimension beleuchtet.
Wie Arbeitszeiten im Idealfall ausgestaltet werden sollen, ist aus arbeitswissenschaftlicher Sicht eindeutig belegt: Erwerbstätige sollen über lange Zeit leistungsfähig, belastbar und zufrieden mit ihrer Arbeit sein. Diese klaren Ziele stehen in der konkreten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung allerdings in Konkurrenz zu unausgesprochenen Wertvorstellungen – Stichwort traditionelles Familienbild –, individuellen Bedürfnissen oder Vorlieben, ökonomischen Notwendigkeiten und arbeitsmarktpolitischen Anforderungen. Schlagwörter wie Flexibilität, Leistungsfähigkeit, Frauenerwerbsbeteiligung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Teilzeit, 4-Tage-Woche, Gleitzeit oder Arbeitszeitreduktion machen ideologische Standpunkte und unterschiedliche Interessenlagen in der Auseinandersetzung um Arbeitszeit sichtbar.
IBG Experte und Leiter des Bereichs „Gesunde Arbeitszeiten“ Helmut Stadlbauer ist Mitautor des Sammelwerks. Er behandelt in seinem Beitrag ausführlich das Thema »Flexiblere Arbeits- Beginn- Zeiten für unterschiedliche Chronotypen«. Seine Kernbotschaft: »Die genetischen Früh-, Normal- und Spättypen respektieren, um die Ressourcen aller Arbeitenden effektiver und gesünder zu nutzen.«
Dazu noch eine Info für all jene, die ihren Chronotyp genau kennen wollen: Er ist im Selbsttest ermittelbar. Der im Buch erwähnte Haartest für daheim ist um 149 Euro bei BodyClock verfügbar. Mehr darüber finden Sie hier.
Literaturhinweis: Arbeitszeit, Rahmenbedingungen – Ambivalenzen – Perspektiven/ Martin Müller, Charlotte Reiff (Hrsg.) / ÖGB Verlag/ ISBN 978-3-99046-500-4
Die Titelgeschichte der Juni-Ausgabe von Gesund&Leben behandelt ausführlich das Thema Chronobiologie. Im Interview auch IBG Experte für gesunde Arbeitszeiten und Arbeitsmediziner Helmut Stadlbauer . Er spricht über Chronotypen, die Auswirkungen eines späteren Unterrichtsbeginns auf die Schulleistungen, welche gesellschaftlichen Störfaktoren wie auswirken u.v.m.
Autorin: Jacqueline Kacetl Experte: Helmut Stadlbauer
Die Zeitumstellung auf die Sommerzeit steht kurz bevor. Am Sonntag (28. März 2021) endet die Winterzeit: In der Nacht wird die Uhr um eine Stunde – von 2:00 Uhr auf 3:00 Uhr – vorgestellt. Dabei sollte die Umstellung der Uhren doch abgeschafft werden – das das hatte die EU-Kommission schon 2019 beschlossen. Geplant war eine Abschaffung der Zeitumstellung für Ende 2021. Bisher ist das Thema noch nicht weiter vorangeschritten – vermutlich auch, weil die EU gerade durch die Corona-Pandemie größere Entscheidungen zu treffen hat.
IBG Arbeitsmediziner Dr. Helmut Stadlbauer spricht sich aus medizinischen Gründen entschieden für eine Beendigung der Zeitumstellung aus. Dabei befürwortet er die Beibehaltung der Winterzeit.
Viele Menschen erleben die Sommerzeit als eine Verbesserung der Lebensqualität
Gesundheitlich ergibt sich dabei allerdings ein Belastungspotential – immer mehr Aktivitäten werden in immer mehr Wachzeit gepackt => Schlafmangel
IBG-Arbeitsmediziner plädieren für Winterzeit als Normalzeit mit einer Flexibilisierung der Arbeitsbeginnzeiten nach individuellen Veranlagungen
Sozialer Jetlag
Dr. Helmut Stadlbauer, Bereichsleiter Arbeitsmedizin von Österreichs größtem privaten betrieblichen Gesundheitsberater IBG, ist Experte für gesundheitsoptimierte Arbeitszeitgestaltung: »Die innere Uhr wird vom Tageslicht vor- und zurückgestellt. Sie arbeitet selbstständig und tickt bei einer Zeitumstellung zunächst unverändert weiter.« Schlaf- und Wachrhythmus passen nicht zu den Tages- und Nachtzeiten ( Sozialer Jetlag). Die innere Uhr bleibt die maßgebliche Instanz. Sozialer Jetlag belastet die Gesundheit und führt zu weniger Leistungsfähigkeit.
Kehrseiten der Medaille
Viele Menschen empfinden die Sommerzeit als eine Verbesserung ihrer Lebensqualität – vor allem ihrer Freizeitqualität. Gesundheitlich ergibt sich dabei allerdings ein Belastungspotential: Gerade späte Chronotypen schlafen durch die Sommerzeit noch weniger. Dabei nimmt die Schlafdauer während der letzten hundert Jahre ohnehin ab. Immer mehr Aktivität wird in immer mehr Wachzeit gepackt: Die Zeit für Arbeit, Kinder, Freunde, Freizeit wird meist von der Ruhezeit abgezweigt. Job und Lebensstil haben direkten Einfluss auf die Schlafqualität – und damit die Gesundheit.
Freizeit erhält erhöhtes Augenmerk
Gesundheitlich problematisch ist dabei die weitverbreitete Einstellung, in der die Qualität der Arbeitszeit hinter der Qualität der Freizeit gereiht wird. Die Konsequenzen sind für den arbeitenden Menschen langfristig negativ. Eine permanente Sommerzeit hat im Winter negative Auswirkungen. Das Aufstehen und Arbeiten bei Finsternis hemmt Wohlbefinden und Produktivität. Schulkinder kämpfen am stärksten mit den Auswirkungen der längeren Dunkelheit am Vormittag.
Arbeiten gegen die innere Uhr
Generell beginnen aus medizinischer Sicht mitteleuropäische Arbeitszeiten zu früh. Dies gilt auch für die Schulzeiten. Es entspricht dem chronobiologische Normaltyp, von 24 bis 8 Uhr zu schlafen, wenn er könnte. Dieser Rhythmus ist aus gesundheitlichen Gründen anzustreben. Der frühere Start in den Tag bedeutet Arbeiten gegen die innere Uhr. Also sind Arbeitsbeginnzeiten vor 9 oder 10 Uhr völlig unphysiologisch für den Großteil der Bevölkerung, die Frühtypen ausgenommen. Von den Spättypen ist dabei noch nicht die Rede.
Winterzeit ist Normalzeit
Die Sommerzeit verschärft diese Problematik. Die innere Uhr richtet sich in erster Linie nach der Sonne, und nicht nach der gesellschaftlich festgelegten Uhrzeit. Daher plädiert der IBG-Arbeitsmediziner Dr. Stadlbauer für eine dauernde Normalzeit („Winterzeit“): Die von der Regierung geplante Sommerzeit ist eine „falsche Normalzeit“ mit geringem Erholungspotential.“