Arbeit in den eigenen vier Wänden ist kein Heilmittel ohne Nebenwirkungen.
Wien (OTS) – Arbeitsministerin Christine Aschbacher hat heute die Eckpunkte eines anstehenden Homeoffice-Gesetzes vorgestellt. Arbeitspsychologe und IBG-Geschäftsführer Gerhard Klicka weist in einem Interview darauf hin, dass Arbeit im Homeoffice von einer Vielzahl an unmittelbaren gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen begleitet wird.
Psychische Belastung
Fragen des ArbeitnehmerInnenschutzes und der Arbeitszeitregulierung sind unter den Bedingungen des Homeoffice nur mehr schwer nachvollziehbar. Daher sollten im Regelbetrieb nicht mehr als zwei Homeoffice-Tage pro Woche eingeplant werden.
ArbeitnehmerInnen für eigenen Arbeitsplatz verantwortlich
Familiäre und wohnliche Rahmenbedingungen der ArbeitnehmerInnen werden im Homeoffice zu tragenden Parametern der Arbeitswelt. Laut Klicka bedeutet dies, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin für die eigene Arbeitsumgebung zuständig werde. Die Verantwortung der ArbeitgeberInnen für die Arbeitsbedingungen werde auf die MitarbeiterInnen übertragen – mit allen Konsequenzen für Gesundheit und Unversehrtheit der Belegschaft.
Teamwork versus Einzelkämpfer
Homeoffice verlangt eine neue Führungskultur. Gerhard Klicka weist darauf hin, dass gute Teamarbeit immer effizienter ist als die Summe von Einzelprojekten. Maßnahmen wie Projektsteuerung und Evaluierungen benötigen unter Homeoffice-Bedingungen umfassende Anpassungen.
IBG GmbH, gegründet 1995, ist mit über 165 MitarbeiterInnen, davon 70 ArbeitsmedizinerInnen, Österreichs größte Unternehmensberatung im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagement. IBG ist in ganz Österreich vertreten.
Homeoffice wurde durch Corona zum fixen Bestandteil der neuen Arbeitswelt. IBG-Geschäftsführer Gerhard Klicka zeigt, wieso Themen der Gesundheit am Arbeitsplatz nicht unter die Räder kommen dürfen und warum ein eigenes Homeoffice-Gesetz wichtig ist.
Die Infektionszahlen steigen, die Wirtschaft kämpft mit den Auswirkungen der Pandemie. Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) will in den kommenden Septemberwochen erste Gespräche mit den Sozialpartnern über ein österreichisches Homeoffice-Gesetz starten. Brauchen wir in der Krise mehr Regulierung?
Dr. Gerhard Klicka: Wir reden von völlig neuen Arbeitsformen. Es ist an der Zeit, diesem Themenbereich auch einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Corona hat die digitale Heimarbeit zu einem nicht nur fixen, sondern auch bedeutenden Bestandteil unserer Arbeitswelt gemacht. Ich halte es für wichtig, dass die Bedingungen definiert werden, unter denen diese Arbeit verrichtet wird.
Welche Positionen gehören aus arbeitsmedizinischer Sicht in das neue Gesetz?
Es gibt natürlich eine Unmenge an arbeitsrechtlichen Fragen wie Kosten und Kontrolle, Freiwilligkeit und Entgelt, Haftungsfragen oder Arbeitszeiteinteilung. Aus arbeitspsychologischer und aus Sicht der betrieblichen Gesundheitsvorsorge stehen vor allem verpflichtende Regelungen über Arbeits- und Ruhezeiten und Nachtarbeit im Vordergrund. Ist es normales Homeoffice, wenn die Mutter ihren Job erst nach dem Zubettgehen ihrer Volksschulkinder regelt? Wie kommt der Dienstgeber seiner Fürsorgepflicht unter den Bedingungen der Heimarbeit nach? Da gibt es viele wichtige Fragen. In der Firma wird regelmäßig kontrolliert, ob der Arbeitsplatz den Minimalanforderungen des Arbeitsschutzgesetzes gerecht wird. Fällt dies alles unter Homeoffice-Bedingungen weg? Ich denke, dass der Dienstgeber seinen Pflichten auch hier nachkommen muss.
Corona hat einen Ausnahmezustand erzeugt. Hat sich das Homeoffice-Konzept unter diesen Bedingungen bewährt?
Homeoffice hat sich während der Krise bewährt, weil es alternativlos war. Eine aktuelle Umfrage unseres Hauses zeigt, dass vor allem der Wegfall von Wegzeiten und das Ende des Pendelns am Positivsten erlebt werden. Auch die Autonomie über Arbeitszeit und Arbeitsort wurde von 79 Prozent der Befragten als „sehr positiv“ erlebt. Problematischer wird es bei den Punkten Selbstdisziplin und Eigenmotivation. Diese Punkte empfinden 30 Prozent der Befragten als zumindest „teil-problematisch“. Aber es kommt in großem Maße darauf an, welche Arbeitsbedingungen man zu Hause vorfindet.
Was ist damit gemeint?
Bei unseren Beobachtungen hat sich gezeigt, dass Arbeitnehmer in der Mehrheit lieber zur Arbeit ins Büro gehen als zu Hause ihren Job zu machen. Es ist aus unserer Sicht nicht so, dass sich eine überwältigende Mehrheit der ArbeitnehmerInnen begeistert an den Heimarbeitsplatz begibt. Ein Single, der ungestört zu Hause am Küchentisch bei gutem Wlan-Empfang seinen Laptop aufklappt, hat dazu eine andere Einstellung als das arbeitende Ehepaar in der Vierzimmerwohnung, das seine zwei Kinder im Homeschooling-Modus betreuen muss. Darum kann man das Konzept Homeoffice nicht pauschal beurteilen. Es gilt immer abzuschätzen, wie die eigenen Rahmenbedingungen aussehen. Wir haben bei unserer Umfrage festgestellt, dass vor allem die Betreuung schulpflichtiger Kinder in Kombination mit Homeoffice zu einer gänzlichen Überforderung geführt haben. Diese Arbeitnehmer sind froh, wenn sie wieder ins Büro kommen. Das hat sicher auch mit dem Wunsch nach Normalität zu tun.
Wie weit bestimmt Heimarbeit die Arbeitswelt von Morgen?
Homeoffice ist ein großer Einflussfaktor. Aber es wird die Zukunft von Arbeit nicht bestimmen. Wenn die Rahmenbedingungen bei den Arbeitnehmern passen, gehe ich davon aus, dass aus arbeitspsychologischer Sicht maximal zwei Homeoffice-Tage pro Woche vertretbar sind. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen: Die Schule ist wieder im Regelbetrieb, der Arbeitnehmer hat ausreichenden Wohnraum und kann sich auf seine Aufgaben konzentrieren.
Warum die starke zeitliche Einschränkung auf maximal zwei Tage?
Arbeit bedeutet soziales Leben. Für Personen, die nicht oder nur in einem sehr überschaubaren Familienverband leben, ist die Sozialisolation im Homeoffice eine ernsthafte psychische Bedrohung. Die Vereinzelung bei der Homeoffice-Arbeit ist nicht gesundheitsfördernd. Unser von der IBG entwickelte Human Works Index kann sehr zuverlässig das Leistungsvermögen eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin feststellen. Dabei werden Parameter wie Arbeitsbewältigung, Sinnfindung, Zusammenarbeit oder Führungskompetenz vernetzt. All diese Faktoren spielen unter Homeoffice-Bedingungen keine Rolle. Erfolgserlebnisse und Sinngebung von Arbeit bleiben aus naheliegenden Gründen auf der Strecke. Es ist niemand da zum Schulterklopfen. Sinnfindung und Wertschätzung, zwei zentrale Elemente der Arbeitszufriedenheit, gehen dadurch verloren. Dieser Aspekt spielt übrigens auch eine große Rolle im Bereich der älteren Arbeitnehmer.
Warum das?
Ältere Arbeitnehmer haben zusehends ihre Stärken im Bereich der Erfahrung und sozialen Kompetenz. Für den Erfolg eines Teams und eines Unternehmens sind derartige Werte enorm wichtig. Keine Abteilung mit ausschließlich jungen MitarbeiterInnen erzielt so gute Ergebnisse wie ein gut durchmischtes Team. In unserem Beratungsansatz des Human Quality Managements lässt sich dies sehr anschaulich nachweisen. Es ist Fakt, dass Homeoffice das ziemliche Gegenteil von Teamarbeit darstellt. Unter diesen Bedingungen tragen derartige Kompetenzen nur geringe Früchte. Es gibt den schönen Spruch, wer nicht zusammen feiern kann, kann nicht zusammenarbeiten. Zahllose Studien zeigen, dass das Kollektiv immer effektiver ist als die Summe der Einzelkämpfer. Der soziale Zusammenhalt in einem Unternehmen hat zudem ein wichtiges gesundheitsförderndes Potential. Beim Konzept Homeoffice fällt das alles weg. Diese Konsequenzen von Homeoffice gilt es in der Gesetzgebung und im Unternehmensmanagement zu berücksichtigen.
Präsentismus nennt man die Entwicklung, dass sich halbkranke MitarbeiterInnen in den Job schleppen, ohne wirklich Leistung erbringen zu können. Ist das Thema in Zeiten von Heimarbeit erledigt?
Wir haben im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements in den letzten Jahren bemerkt, dass das Phänomen des Präsentismus deutlich zugenommen hat. Die Angst um den Job, Angst die Arbeit nicht erledigen zu können, Angst sich den Unmut der Kolleg:innen zuzuziehen, das alles hat Mitarbeiter:innen zunehmend veranlasst, halbkrank oder krank ins Büro zu gehen. In Zeiten von Covid wurde diese vorher schon schlimme Entwicklung endgültig zum No-Go. Beim Homeoffice verschiebt sich das Problem in die eigenen vier Wänden, ohne dass es verschwindet.
Was bedeutet das für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen?
Der Mitarbeiter arbeitet krank von daheim weiter. Krankheiten werden übergangen und enden dann in deutlich längeren Krankenständen, in denen gar nichts mehr geht. Der Betroffene und der Dienstgeber sind gleichermaßen geschädigt. Hier braucht es eindeutige Krankenstandsregelungen.
Wie kann eine Krankenstandsregelung beim Homeoffice aussehen?
Nicht anders als bei Präsenzarbeitsplätzen. Das bedeutet: Krankmeldung beim Arzt, Meldung in die Firma und ab ins Bett. Im Homeoffice ist die Gefahr sehr groß, dass sich MitarbeiterInnen trotz Grippe, Corona etc. doch an den Heimarbeitsplatz schleppen. Diese Form des Präsentismus belastet alle und bringt keine Ergebnisse.
Wie muss das Management mit diesen Entwicklungen umgehen?
Wir haben in unserem Tätigkeitsfeld schon vor längerer Zeit einen Kulturwandel beobachtet. Nach meiner Erfahrung haben Arbeitgeber es nie gern gesehen noch verlangt, dass Mitarbeiter mit Schnupfen, Husten und Infekten in die Arbeit kommen. In Covid-Zeiten geht das sowie so nicht. Zudem belegen Studien, dass die Gesamtkosten für Präsentismus die betriebswirtschaftlichen Ausfälle durch Krankenstände um ein Vielfaches übersteigen. Wer krank in die Arbeit geht, kann sich in dieser Zeit nicht auskurieren. Die eingeschränkte Einsatzfähigkeit vermindert die Arbeitsqualität, erhöht die Fehleranfälligkeit und die Anzahl von Unfällen. Früher oder später bleibt man dann meistens doch zu Hause – vielleicht sogar länger. Die Krankheitskosten im Unternehmen steigen dadurch deutlich – manche Studien sprechen von bis zu dem doppelten Wert des ursprünglichen Ausfalles.
Welche Rolle spielen die Chefs und Chefinnen?
Eine sehr große. Die Führungskraft muss auf die Mitarbeiter einwirken und vorleben, dass Urlaub Urlaub ist, und Krankenstand Krankenstand bleibt. Dabei gibt es keinen Laptop und kein Handy. Die Vorbildwirkung des Chefs gerade in familiengeführten Unternehmen ist dabei nicht immer die beste. Da wird gearbeitet bis zum Umfallen- sprichwörtlich.
Wann beginnt ein gerechtfertigter Krankenstand?
Es gibt Befindlichkeiten, die noch keine Krankheiten sind und trotzdem ernst genommen werden müssen. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel die Kollegin mit Menstruationsbeschwerden zu Hause bleibt, oder dem Kollegen die Augen auf Grund von Heuschnupfen überquellen. Man fühlt sich nicht arbeitsfähig und es ist besser, zu Hause zu bleiben als sich herumzuschleppen. Wir raten aber Unternehmern, sich die Krankenstandverläufe übers Jahr anzuschauen. Wenn viele Krankenstände zusammenkommen, muss mit dem Mitarbeiter ein Gespräch geführt werden. Haben die Krankenstände mit dem Job zu tun, fühlt er sich überarbeitet, gibt es Gründe, dass vor allem montags zu Hause geblieben wird? Jeder Arbeitgeber tut gut daran, seine eigene Rolle bei den Krankenstandsmeldungen zu hinterfragen, aber auch dem Mitarbeiter seine Mitverantwortung zu signalisieren. Nie ist einer allein schuld.
Steigert die Pandemie den Wert von Gesundheit am Arbeitsplatz?
Der Corona Virus ist das eine. Da hat die Politik gesagt: Mensch geht vor Wirtschaft. Das hat jeder kapiert. Ich glaube aber nicht, dass durch den Virus ein Bewusstsein entwickelt wurde, das Mitarbeitern weniger Stress zumutet. Es wird alles getan, durch Plexiglas-Platte, Maske und Arbeitsorganisation die Pandemie im Griff zu behalten. Aber dass man die Gesundheit der Mitarbeiter mehr wertschätzt als bisher, das glaube ich leider nicht.
Dr. Gerhard Klicka
Der promovierte Psychologe Gerhard Klicka startete bei IBG im Jahr 2001, kam ab 2004 in die Geschäftsführung von IBG und ist seit 2006 alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Klicka ist Unternehmensberater und ausgebildeter klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (VT) und Arbeitspsychologe.
Mehr als 50.000 Menschen in Wien bei »Black Lives Matter«!
IBG ist aus einem Projekt gegen Rassismus geboren. Rassismus ist ein globales Problem. Ausländer sind wir schnell wo. So wie Trump mit „America First“ Gift in die Gesellschaft sprüht, war es die FPÖ mit dem Volksbegehren „Österreich zuerst“ 1993.
Die Losung impliziert „Österreicher zuerst“ und Nicht-Österreicher darunter. Eine Hierarchie soll den arbeitenden Menschen in Österreich das Gefühl geben, dass es andere unter ihnen gibt, auf die man herabsehen und die man abwerten kann.
Dieses Gift kam in die Spitäler, vor allem über die Angehörigen. „Keine schwarze Schwester für meine Mutter“. Ausgrenzungen und Beleidigungen mehrten sich. Es behinderte unsere Arbeit. Ich arbeitete an der Uniklinik für Psychiatrie im AKH. Eine ältere Patientin sagte zu Duši, Schwester, in Belgrad geboren: „Gell Duši, wir haben zu viele Ausländer!“ Das tat weh. Noch dazu, wo zur gleichen Zeit der rassistisch begründete Krieg in Jugoslawien stattfand, der Duši die erste Heimat nahm. Für sie doppelte Belastung. Wie konnte sie unter diesen Bedingungen ihre beste Leistung bringen? Es litten Kolleginnen und Kollegen mit Migrationsunterboden. Und mit ihnen auch die KollegInnen, die hier geboren sind. Es gab nichts, unsere KollegInnen zu schützen und zu stützen, kein Symbol der Solidarität, die wir den Unseren zeigen konnten: Wir fühlen mit Euch! Wir sind eins!
„Der Mensch zuerst – Spitalspersonal gegen Ausländerfeindlichkeit!“
Deshalb gründete ich die Initiative „Der Mensch zuerst – Spitalspersonal gegen Ausländerfeindlichkeit!“, kurz MZE. Rassismus ist ein Krankheitserreger, weltweit eine sehr häufige Todes-UR-sache. Rassismus, Diskriminierung, Feindseligkeit im Arbeitsumfeld sind psychotoxische Stressoren, die zu psychischem Leid beitragen, und über das psychoneuroendokrine System zur chronischen Akzentuierung des Stress-Niveaus führen, wodurch es an biologischen Soll-Bruchstellen zu somatischen Erkrankungen kommen kann.
Ausgangspunkt der Überlegungen waren Theorell und Karasek, Sigrist, Frankl und Achterberg. Die Initiative soll als Stress-Prävention dienen, durch Social Support und Akzentuierung von Einstellungswerten: „Medizin ist international. Menschen sind international. Der Mensch ist die Medizin des Menschen. Hände weg von meinen KollegInnen!“
Medizin ist international. Menschen sind international.
Anlässlich des Lichtermeers von SOS-Mitmensch ließ ich ein Plakat drucken, welches die Universalität des Teams und daher der Medizin symbolisch sichtbar werden ließ. Und wir produzierten einen Sticker mit dem Symbol von MZE und der Losung Hände weg. (Gestaltung: Erwin Schuh/Karl Berger/Max Wachter). Plakat wie Sticker verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Beim ersten Treffen der Initiative versammelten sich aus allen Spitälern rund 50 Gesundheitsmenschen. Den Sticker trugen viele Menschen in der Pflege. Die Generaloberin Staudinger erteilte ein Verbot, diesen zu tragen.
Ein Aufschrei, zwei Tage später ein neuer Erlass: Pflegepersonen dürfen zwei Anstecker tragen – die Diplomnadel und den MZE-Sticker.
Es war der Beginn einer engen Zusammenarbeit mit der Generaldirektion des KAV, den Kollegialen Führungen, Rudi Hundstorfer von der GdG und vielen von uns. Diese Initiative entwickelte sich nachhaltig über zehn Jahre und internalisierte Leitbild, eröffnete Karrierechancen, veränderte PE und OE und wirkt bis heute. Selbst heute noch hängt ein Transparent im Wilhelminenspital beim Eingang.
Die Initiative wurde auch von den anderen Spitalsträgern und Seniorenheimen übernommen, Preise wie jenen der Pharmig für Soziales Engagement. Über MZE lernte ich Hannes Schmidl, linke Hand von Stadtrat Rieder kennen, und Irene Kloimüller. Gemeinsam gründeten wir infolge IBG.
Damals fielen Bomben, gegen vier Menschen in Oberwart, gegen die Hand von Helmut Zilk, gegen die Wohnung von Terezija Stoisits uvm. In der dritten Stufe der Kampagne richteten wir uns an die Patienten, Angehörigen und an die Bewohner der besten multiethnischen Stadt der Welt, um bewusst zu machen, dass ihre Stimme am Wahltag über Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von uns im Gesundheitswesen mitentscheidet. Und, dass ihre Stimme Leben retten kann. Auch das gilt bis heute.
»Der Mensch zuerst« hat zentrale Bedeutung für IBG
Aus MZE wuchsen viele Äste und daher hat MZE zentrale Bedeutung für IBG. Stadtrat Rieder unterstützte MZE massiv und er bat mich, zur Meduni Zagreb/ASS Kontakt aufzunehmen, denn die dortige Public Health stand unter großem Druck durch die rechtsnationale Regierung Kroatiens.
So begann die Motovun Summer School for Health Promotion in Istrien mit der MedUni/Adrija Stam- par School for Public Health. Der Kroate Andrija Stampar ist der Gründer der WHO und hat in Wien Medizin studiert. Die Motovun Summer School war ein Friedensprojekt, welches eine Brücke über die rassistische Spaltung zwischen den jugoslawischen Kulturen bauen sollte. Schon ab dem dritten Jahr waren KollegInnen aus allen ehemaligen Teilrepubliken dabei. Aus Zagreb, Belgrad, Skopje, Ljubljana, Podgorica.
Ich habe über das Anti-Rassismus-Projekt MZE im ersten Jahr, 1994, referiert. Ohne Resonanz. Bürgerkriege leben vom Rassismus und blockieren die Sensibilität für antirassistische Programme. Nach 20 Jahren hielt ich dieses Referat noch einmal, darunter etliche Kolleginnen von 1994. Diesmal große Rührung. Der Frieden ließ die Sensibilität für rassistische Unterdrückung wieder zu. Der anwesende Dekan der Meduni Belgrad lud zum Referat in Belgrad. Im Kongress-Zentrum referierte ich MZE vor fast 1.000 Menschen der Pflege und der phantastische Film der Initiative lief auf Serbisch und sensibilisierte auch dort. Tosender Applaus. Wir vermieden es meine burgenländisch kroatische Herkunft zu nennen. Es braucht noch seine Zeit. Einen Eindruck über die Motovun Summer School for Health gibt dieses Video.
Die Arbeitswelt als Schule der Gesellschaft
Unser Ansehen durch MZE wuchs und so referierte der Generaldirektor des KAV Wien, Ing. Heinz Nägler, in Motovun! Mit der Generaloberin veröffentlichten wir das Buch „Gesunde Arbeitszeiten im Pflegeberuf“, wo mit den AZ-Projekten im Kaiserin Elisabeth-Spital unsere Expertise im Thema Arbeitszeit begann. In Motovun skizzierten wir die erste Konferenz „Alt, erfahren und gesund – Betriebliche Gesundheitsförderung“. Daraus entwickelten wir Productive Ageing und hatten die ersten Großprojekte im KAV. Bei Prodage ging es auch um die Überwindung des strukturellen und kulturellen Altersrassismus in der Arbeitswelt. Ageism wie Sexism und Racism – diese drei Bruchlinien in der Arbeitswelt zu überbrücken, war unsere Mission. Die Arbeitswelt als Schule der Gesellschaft.
Ein weiterer Ast war die Konferenz-Reihe „Multiethnic Workplace“, wo mit wunderbaren ReferentInnen salutogene und produktive Entwicklungen bei Kulturen, Strukturen und Teams in Unternehmen mit multiethnischer Belegschaft diskutiert und viel gelernt wurde – auch unter Schirmherrschaft von Heinz Nägler und Charlotte Staudinger.
Ein anderer Ast war Salutogene Politik, wo die neoliberale Entzügelung der Gesellschaft im Mittelpunkt stand, die über psychoneuroendokrine Entzügelung zur sozialen Entzügelung führt. Die Konferenz- und Publikations-Reihe hieß „Stress by Politics – Politics by Stress.“ Rassismus ist dabei ein neoliberales Ideologie-Werkzeug zur verstärkten Ausbeutung und Willkür.
Geschäftsmodell Rassismus
Rassismus ist ein Geschäftsmodell. Es senkt die Löhne, zuerst der „Migranten“, und dann die aller. Er erhöht die Mieten für Migranten, weil er es kann, und dann aller. Er behindert Karriere- und Bildungschancen, und drängt Menschen in eine Parallelgesellschaft.
Ähnlich wie bei der Diskriminierung der Frauen, wo die Männer Chancen-Vorteile lukrieren, wird hier den „Inländern“ ein Vorteil suggeriert, wenn sie Zugewanderte diskriminieren können. Die Konferenzen fokussierten auf Rassismus als Todes- und Krankheits-URsache von Kriegen, Genoziden, Vertreibungen, Flucht etc. Die Referate in den Konferenzen waren beeindruckend; einmal Ellis Huber, Präsident der Deutschen Ärztekammer, dann der letzte Gesundheitsminister Jugoslawiens, Slobodan Lang, oder Public Health-Professor John Middleton aus Birmingham.
Ein dünner Ast war die Gründung des European Health Staff against Racism mit Gesundheitsmenschen von Schweden bis Albanien. Mehrere Konferenzen in Berlin, Motovun oder Wien fanden statt. Aber dieses Netzwerk wurde uns zu groß, auch das Ziel war etwas unklar.
Alle diese Initiativen, diese antirassistischen, humanistischen Arbeiten waren für uns ehrenamtlich und ohne Honorar. Die vielen Aktivitäten – Groß-Symposien über Bezirksfeste bis zu Konzerten mit Drahdiwaberl, Ostbahn Kurti und den Rounder Girls – waren spendenbasiert, vor allem durch KAV, GdG, aber auch durch Unternehmen. Und vor allem durch uns selbst. Die Schulden, die wir in den Anfangsjahren aufgebaut haben, lagen auch hier begründet und waren ein Gepäck unserer langen Reise. Andererseits waren diese antirassistischen Projekte und der internationale Humanismus Energie-Quelle, Sinnfindung, Renommee und es öffnete uns große Türen. Die (selbstbewusste) innovative und ehrliche Ausstrahlung von IBG wuchs in dieser Wiege und auch das strahlen wir bis heute aus. Wir arbeiten gerne zusammen und alle von uns finden mit ihrem Einsatz Platz. Ich mag den Begriff „diverse“ nicht, weil er auch Trennung und Spaltung potentiell trägt. Universell sind wir, wie alle anderen Menschen.
Rassismus ist ein globales Thema
Wenn in Wien über 50.000 zu Black Lives Matter kommen, zum Aufruf einer Ärztin, einer Frau aus der afroaustriakischen Community, dann macht mich das sehr froh. Sie ist stv. Bezirksobfrau der SPÖ im 1.Bezirk. Als IBG arbeiten wir auf der richtigen Seite der Geschichte. Rassismus ist ein globales Thema. Wie viele dunkelhäutige Menschen sind in Wien von der Polizei etc. ermordet worden? Ein Vorstandsmitglied von MZE war Hatice Ilter, muttersprachliche Betreuerin im KFJ, mit kurdisch türkischem Unterboden. Ihr Bruder wurde von der WEGA im ersten Bezirk erschossen, er hatte eine Psychose, zwanzig WEGA-Leute verfolgten ihn, er holte eine Mineralwasserflasche aus seiner Jacke. „Notwehr“ das offizielle Urteil.
Der Mensch ist die (Arbeits-)Medizin des Menschen! Und die Psychologie natürlich auch!
Corona-Krise: Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern.
Rudolf Karazman (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Arzt für Arbeitsmedizin) nimmt Stellung zu Arbeitsbedingungen, Arbeitszeitverkürzung und Gesundheitsbelastungen in der Pflege angesichts der Corona-Krise.
Arbeitsbedingungen in der Pflege angesichts der Coronakrise.
Rudolf Karazman (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Arzt für Arbeitsmedizin) und Kai Leichsenring (Direktor Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung) diskutieren auf lazarus.at darüber, warum die Auseinandersetzung mit Arbeitszeitbedingungen, Arbeitszeitverkürzung und Gesundheitsbelastungen in der Pflege gerade in der aktuellen Coronakrise besonders wichtig ist.
Die aktuelle Lage in Österreich und weltweit wird von Expertengremien kontinuierlich erfasst und bewertet. Aufgrund dieser Informationen wird das Risiko für die Bevölkerung in Österreich eingeschätzt. Dies ist eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Zahl der Fälle in Österreich und weltweit steigt an, die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu.
Ein erhöhtes Risiko haben Personen, die an folgenden Krankheiten leiden:
Atemwegserkrankungen (chronisch)
Bluthochdruck
Diabetes mellitus
Erkrankungen, die das Immunsystem schwächen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Krebserkrankungen
Nachdem die Risikoeinschätzung sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern kann, wird an dieser Stelle von weiteren direkten Informationen abgesehen und auf die entsprechenden Informations-seiten verwiesen.
Ihre Arbeitsmedizinerin/Ihr Arbeitsmediziner steht Ihnen auch weiterhin für telefonische Beratung und per Email zur Verfügung!
Coronavirus – Hotlines
AGES: 0800 555 621 Die AGES beantwortet Fragen rund um das Coronavirus (Allgemeine Informationen zu Übertragung, Symptomen, Vorbeugung) 24 Stunden täglich unter der Telefonnummer 0800 555 621.
Telefonische Gesundheitsberatung: 1450 Nur wenn Sie konkrete Symptome (Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Atembeschwerden) haben, bleiben Sie zu Hause und wählen Sie bitte die Gesundheitsnummer 1450 zur weiteren Vorgehensweise (diagnostische Abklärung).
Hotline des VKI zu reiserechtlichen Fragen: 0800 201 211 Bei rechtlichen Fragen rund um bereits gebuchte Reisen (z.B. ob eine Reise kostenlos storniert werden kann) beraten die Expertinnen und Experten des Verein für Konsumenteninformation (VKI) kostenlos von Montag bis Sonntag in der Zeit von 9 bis 15 Uhr unter der Telefonnummer 0800 201 211.
AK/ÖGB-Hotline zu arbeitsrechtlichen Fragen: 0800 22 12 00 80 Für arbeitsrechtliche Fragen haben Arbeiterkammer und ÖGB die Hotline 0800 22 12 00 80 eingerichtet, die von Montag bis Freitag zwischen 09:00 und 19:00 Uhr erreichbar ist. Die Homepage ist unter https://jobundcorona.at/ verfügbar.
Wirtschaftskammer: 0590900 4352 Die Wirtschaftskammer beantwortet unter der Nummer 0590900 4352 Fragen zu Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlungen und internationalen Lieferketten.
Last but not least….
Für gesunde, nicht immun-geschwächte Menschen, bei denen kein Verdacht auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus besteht, sind herkömmliche Seife zum Händewaschen und herkömmliche Reinigungsmittel zum Putzen völlig ausreichend. Coronaviren sind sog. behüllte Viren – bei dieser Art von Viren wird die Hülle durch Seife schnell zerstört und das Virus somit inaktiviert. Regelmäßiges und gründliches Händewaschen ist somit ein wichtiger Beitrag um die Infektionskette zu unterbrechen!
25 Jahre IBG. Wie das Thema Gesundheit in die Welt der Arbeit kam. Betriebliches Gesundheitsmanagement gehört heute zu den täglichen Werkzeugen der Arbeitswelt.
Jedes Jahr setzt seine Meilensteine – positive und traurige: 1995 wurde Srebrenica zum Fanal und Jitzchak Rabin musste sterben. Aber es gab nicht nur Drama: Österreich wurde mit 1.1. des Jahres Mitglied der EU, SPÖ-Chef Franz Vranitzky blieb nach den gewonnenen Wahlen in der Koalition mit Wolfgang Schüssel und Austria Salzburg wurde zum zweiten Mal hintereinander Fußballmeister. 1995 ist auch das Jahr, in dem IBG mit eigenem Rechtsmantel und Firmenidentität angetreten ist, die Themen Arbeit und Gesundheit in Österreichs Wirtschaft zu tragen. Zu dem Zeitpunkt war Betriebliches Gesundheitsmanagement nur unter sehr ambitionierten PersonalmanagerInnen ein Begriff. Der Arbeitsmediziner, Psychiater und Neurologe am AKH Rudolf Karazman gründete gemeinsam mit seiner Frau, der Soziologin Inge Karazman-Morawetz, und zwei weiteren Partnern das Unternehmen IBG, um bereits laufenden Beratungsprojekten in Österreich und Deutschland den (dringend benötigten) organisatorischen Hintergrund zu geben.
Münchner Anfänge
Betriebliches Gesundheitsmanagement war in Österreich zu Beginn der 90er so gut wie unbekannt. Rudolf Karazman gilt als Vorläufer: Er hatte nach studentischen Teach-ins zum Thema Arbeitsmedizin schon an Forschungsprojekten über Herzinfarkte an der Schiffswerft Korneuburg und über Rückenschäden in der Raffinerie Schwechat teilgenommen. 1995 hatte er – neben seiner psychiatrischen und neurologischen Fachausbildung – als Initiator der Mobbing-Allianz am Wiener AKH weitere Erfahrungen mit dem Thema Arbeit und Gesundheit gesammelt. So ereilte ihn der Hilferuf eines befreundeten Kommunikationsexperten aus Salzburg: Der Mediziner möge beim damals größten deutschen Gesundheitsförderungsprojekt in München die wissenschaftliche Evaluation leiten. Die Krankenstände der überwiegend älteren Belegschaft waren damals zahlreich und das Pensionsantrittsalter niedrig. Für das österreichische Team bedeutete der Auftrag inhaltliches und organisatorisches Neuland. Experimentelle Erfahrung und Neugier bahnten sich aber ihren Weg: Das Projekt geriet mit seiner starken sozialwissenschaftlichen und medizinischen Ausrichtung zum Erfolg. Durch das Programm wurden die Krankenstände erfolgreich reduziert und die Arbeitszufriedenheit der MitarbeiterInnen deutlich erhöht.
Stabile Verhältnisse
Die Umfänge des Münchner Projektes erforderten eine unternehmerische Infrastruktur. Am 23.01.1995 wurde das Institut I.B.G. Betriebliche Gesundheitsförderung GmbH ins Firmenbuch eingetragen. IBG entstand dabei als lautmalerische Anlehnung an IBM, „da wisse auch niemand mehr, was es heißt“, wie Rudolf Karazman in einem Rückblick schreibt. Der volle Firmenname änderte sich später hin zum heutigen Innovativen Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Die Gründer waren multiprofessionell: Heinrich Geissler (Germanist), Heinz Grossmann (Betriebswirt), der leider verstorbene Hannes Schmidl (Ökonom, Mathematiker), Inge Morawetz-Karazman (Soziologin) und Rudolf Karazman (Psychiater, Neurologe, Psychotherapeut und Arbeitsmediziner). Später kam noch Irene Kloimüller als Medizinerin dazu. Die erste Unternehmensadresse befand sich in der Seidengasse mit einem 200 Quadratmeter großen Büro. Dann ging es Schlag auf Schlag: Erste IBG-MitarbeiterInnen wurden eingestellt, neue Kontakte geknüpft, erste Kunden gewonnen.
Neuartiger Beratungsansatz
In der Startphase passierte Wachstum eher als es geplant war. Die Erfahrungen bei den Münchner Verkehrsbetrieben zogen ihre Kreise. Damit war die Neugier bei Unternehmen geweckt. Basierend auf frühen Forschungsarbeiten von Rudolf Karazman zu „Arbeit und Stress“ sowie auf den Erfahrungen mit der arbeitspsychiatrischen Forschungsgruppe am Wiener AKH entwickelte IBG einen neuen, Beratungsansatz: Die humanökologische Unternehmensführung, so der Name der Leitlinie, schafft beste wirtschaftliche Produktivität bei bester Entwicklung der Mitarbeiter im jeweiligen Arbeitsleben. Wenn der Einzelne am Arbeitsplatz persönlich wachsen kann, wächst auch das Ergebnis, profitiert das Unternehmen. Kluges Management befördert dafür den Rahmen. Immer mehr Unternehmen öffneten sich Ende der 90er-Jahre diesen – in der österreichischen Arbeitswelt unbekannten – Überlegungen: Das internationale Textilhaus H&M Österreich zählt seit diesen frühen Tagen zu den KundInnen von IBG.
Im Arbeitsleben Sinn finden
Arbeit hält gesund, wenn sie für den Einzelnen Sinn eröffnet. Damit folgt IBG dem Sinn-Konstrukt von Viktor Frankl (Existenzanalyse): Der „Corporate Sense“, der Unternehmens-Sinn, ermöglicht es den MitarbeiterInnen, ihre Arbeit nicht nur über den „Profit“ für das Unternehmen wertzuschätzen. Die Quelle der Wertschöpfung sind die MitarbeiterInnen. Sie sind Source und nicht Ressource. Wenn der Job für den Einzelnen Sinn macht, bleibt er auch gesund und ist produktiv. Wer seinen Arbeitsplatz mit den sprichwörtlichen Bauchschmerzen betritt, weil das Arbeitsklima schlecht ist, die KollegInnen mobben und der Chef ignorant ist, der wird krank. Er mutiert zum Underperformer und sehnt sich nach dem Ruhestand.
Arbeitszufriedenheit wird messbar
Einer der Erfolgsfaktoren von IBG ist die Nachvollziehbarkeit des Beratungserfolges: Rudolf Karazman und Inge Karazman-Morawetz stellten 1998 den „Human Work Index®“ vor, der erstmals Parameter des Arbeitslebens (Umsatz, Verbleib, Lebensqualität, Wohlbefinden, Gesundheit, Krankenstände, subjektive Arbeitszufriedenheit) miteinander in Beziehung setzt als Arbeitsvermögen. Das Mögen und Vermögen der Mitarbeiter zur Mit-Arbeit. Ein hohes Arbeitsvermögen kennzeichnet einen gesunden und produktiven Arbeitsprozess. Der Human Work Index korreliert mit Lebensqualität und Umsatz, Gesundheit und Verbleib. Das Humanvermögen eines Unternehmens, die Fähigkeit der Belegschaft zur Weiterentwicklung für (künftige) Anforderungen, kann sichtbar und letztlich auch bewertbar werden. Der Wert des Unternehmens folgt dem Stellenwert der MitarbeiterInnen im Unternehmen. Umgekehrt können Defizite im Betrieb sichtbar werden und zu Innovationen führen. Und die Veränderungen vor und nach der Umsetzung unternehmensrelevanter Programme sind messbar. So wird betriebliches Gesundheitsmanagement für jeden Außenstehenden nachvollziehbar.
Von Schichtprogrammen bis zu Betriebsambulanzen
Arbeit und Gesundheit stehen in zahllosen Beziehungen. Arbeit kann krankmachen, Arbeit kann fördern. Entsprechend stark verbreiterte sich nach der Startphase das IBG-Betätigungsfeld. Zum Milleniumwechsel haben IBG-ArbeitsmedizinerInnen federführend an der Entwicklung neuer Schichtpläne für die Linzer Unternehmen Polyfelt, Agrolinz und voestalpine mitgearbeitet. Sie hatten die Vorgabe, den Belastungslevel von Nachtarbeit für die ArbeiterInnen so niedrig wie möglich zu halten. Das Programm ist bis heute gültig. Etwa zum gleichen Zeitpunkt – 1999 – übernimmt IBG das Management und ärztliche Leitung der Betriebsambulanz des Chemieparks Linz (ehemalige Chemie Linz). Damit tritt IBG in eine neue Phase der Unternehmensgeschichte ein: Das Leistungsspektrum der Linzer Betriebsambulanz reicht von einer 24-Stunden-Notarztbetreuung über Notfallpsychologie über allgemeinmedizinische Sprechstunden, Rezepte und Überweisungen bis zu Beratung zum besseren Umgang mit Schichtarbeit und Nachbehandlungen von erfolgten Therapien. Machte die Betriebsambulanz Linz den Anfang, folgten 2008 die Ambulanz Lenzing und 2018 das Health Center der Bank Austria.
Wachstum braucht Raum
Mit dem Beginn der Nullerjahre dehnte IBG seine Präsenz gezielt über die Grenzen Wiens aus. IBG-ArbeitsmedizinerInnen begannen, Unternehmen in allen Bundesländern zu betreuen. 2004 erfolgte der Umzug in die neue Unternehmenszentrale in die Kirchengasse/Mariahilfer Straße im 7. Wiener Gemeindebezirk. Dies ist auch das Jahr, in dem der Arbeitspsychologe Gerhard Klicka die Geschäftsführung vom Mehrheitsgesellschafter Rudolf Karazman übernimmt. Karazman zieht sich auf seine Gesellschafterposition zurück. 2006 stieg die MitarbeiterInnen-Zahl der IBG erstmals über die 100-Personen-Marke. Mittlerweile arbeiten mehr als 165 Personen für Österreichs größten Dienstleister auf dem Gebiet des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), 70 davon sind ArbeitsmedizinerInnen.
Fit für Arbeit 4.0
In den 25 Jahren seit der IBG-Gründung entwickelte sich Betriebliches Gesundheitsmanagement in Österreich vom zarten Pflänzchen zum kräftigen Baum. Themen wie Human Quality Management als strategischer Führungsansatz, generationengerechtes Arbeiten, Multiethnic Workplace, Stressmanagement, Burnout-Prävention oder Arbeitszeitmanagement hielten Einkehr neben den angestammten Fixpunkten des ArbeitnehmerInnenschutzes (Arbeitsmedizin, Arbeitspsychologie, Arbeitssicherheit, Arbeitsergonomie). Unternehmensführung wie Belegschaft sehen es nicht mehr als Gott gegeben, dass Arbeit Körper und Geist langfristig schädigt. Die Herausforderungen sind aber nicht beendet: So wie sich Arbeit verändert, so verändert sich die gesundheitliche Belastung. Arbeitswelt 4.0 setzt völlig neue Akzente in Bereichen des psychologischen Drucks, in der Koordination der Motorik und bei der Regeneration des Körpers.
Neue digitale Werkzeuge
Digitale Herausforderungen verlangen nach digitalen Lösungen. Neue, automatisierte Werkzeuge wie das IBG-Gesundheitscockpit, das betriebseigene Gesundheitsportal oder die Balanced Health Card machen das Wechselspiel zwischen Arbeitsbelastung und Freude an der Arbeit transparenter als dies bisher vorstellbar war. Wechselwirkungen zwischen Arbeitszeiten und Krankenständen werden sofort erkennbar. IBG transformiert mithilfe dieser Tools Betriebliches Gesundheitsmanagement in das digitale Zeitalter und ist damit auch nach 25 Jahren richtungsweisend für Unternehmen tätig.
Geld oder Leben? Vor diese lebenswichtige Frage aus dem Gaunermilieu werden wir im »normalen« Arbeitsleben kaum gestellt. Dennoch wäre es gesund, darüber ein wenig nachzudenken. Oder vernünftig. Oder vielmehr: träumen wird man ja noch dürfen …
Was ist für uns in Bezug auf Dauer und Intensität unserer Arbeit normal geworden? In den letzten Jahren, Jahrzehnten? Kaum wer, der bestreitet, dass die Aufgaben mehr und dichter geworden sind. Produktivitätssteigerung heißt das, wohlwollend formuliert. Formal ist die Normalarbeitszeit eher gleich geblieben. Überstunden vielleicht, die mehr wurden? Aber deren Abgeltung rechnen wir ja in unser laufendes Monatsbudget ein, womit wir beim Geld sind. Eigentlich brauchen wir das Ausmaß unserer Arbeit für unseren Lebensstandard.
Wirtschaftswachstum – bzw. dessen Gefährdung – ist das Argument des letzten Jahres gewesen, um bei den Arbeitszeiten noch »flexibler« zu werden. Der 12-Stunden-Tag wurde allen Branchen ohne große Hürden zugänglich gemacht. Freiwillig natürlich … Wird unsere durchschnittliche Wochenarbeitszeit dadurch gleich bleiben? Oder doch ansteigen? Belastbare Zahlen fehlen dazu noch.
Zeitdruck, Stress, fehlende Pausen, ständiger Druck über das ganze Jahr hin – steigendes Burnout-Risiko ist nach wie vor für viele ein Thema. Immer bessere Studien zeigen den erschreckend hohen Anteil derer, die schon gefährdet oder beeinträchtigt sind. Die wissenschaftlich belegbaren Folgen von längerer Wochenarbeitszeit sind erdrückend klar: Gesundheitsbeschwerden in alle Richtungen – Muskeln, Gelenke, Psyche, Schlaf – alles wird mit steigender Arbeitszeit kontinuierlich mehr belastet. Wir spüren es ohnehin, wenn wir ehrlich sind.
Immer mehr, immer intensiver?
War da nicht etwas, von wegen Digitalisierung und Automatisierung? Sollten uns nicht die Maschinen von unserer Arbeit entlasten? Wir sollten doch weniger arbeiten müssen, wenn die Computer und Automaten für zunehmenden Produktivitätszuwachs sorgen? Wo ist hier der Denkfehler? In der Realität verschwinden die Arbeitsplätze eher, die automatisiert wurden – die verbleibende Arbeit verteilt sich nicht auf alle. Es gibt sie, jene die »abgebaut« werden – häufig Ältere, oder die, die nicht mehr ohne Einschränkung mitkönnen. Ja, sozial abgefedert, aber trotzdem oft demotiviert, und eines wichtigen Sinns ihres Lebens beraubt. Wie lange können wir uns aber Frühpensionierungen und Arbeitslosigkeit als Gesellschaft noch leisten?
Wie viel Arbeit braucht der Mensch?
Wie viel Arbeit brauchen wir eigentlich mindestens, um gesund zu bleiben? Da gab es neulich eine Untersuchung der Universität Cambridge: es sind 8 (in Worten: acht!) Wochenstunden. Das ist das Ausmaß, nachdem vorher Arbeitslose wieder das gleiche Gesundheitsniveau von Arbeitenden erreichen. Wäre es also nicht gesünder, deutlich weniger zu arbeiten, als die derzeitigen 38 bis 40 Stunden, oder 42 – durchschnittliche Überstunden eingerechnet. Ein überwiegender Teil der Vollzeit-Arbeitenden wünscht sich das (Teilzeit-Arbeitende umgekehrt, aber das ist eine andere Geschichte). Gesünder wäre es jedenfalls, sagen alle Studien! Also liegt es wohl nur daran, dass wir es uns finanziell nicht leisten können?! Das betrifft vor allem die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens – in einer Höhe, bei der man auch ohne Arbeit ein menschenwürdiges Leben führen kann, also deutlich höher angesiedelt als derzeitige Sozialhilfe-Modelle. Wer könnte das bezahlen?
Es gibt interessante Denkansätze: Zum Beispiel die steigenden Kapitalgewinne von Unternehmen nicht über Steuern der Allgemeinheit zugänglich zu machen – die Nachteile kennen wir: Umgehungskonstruktionen und Abwürgen von unternehmerischer Motivation. Eine Alternative: Staaten beteiligen sich in einem relevanten Ausmaß an verschiedensten privaten Unternehmen, und kommen damit direkt in den Genuss von Gewinnausschüttungen. Das hat nichts mit alten verstaatlichten Modellen zu tun, ganz im Gegenteil. Die Allgemeinheit profitiert von Globalisierung, Effizienzsteigerung und Kapitalgewinn. Der Staat wird zum Shareholder.
Nicht nur Sozialtheoretiker halten diesen Ansatz für interessant, inzwischen auch gestandene Wirtschaftswissenschafter. Zugegeben, es klingt visionär. Einzelne praktische Umsetzungen gibt es, z.B. Staatsfonds wie in Norwegen. Ein anderer Weg: eine Finanztransaktionssteuer in verblüffend geringer Höhe würde reichen.
Die Vision der sinnstiftenden Arbeit
Jedenfalls ist die Vision der selbstgewählten, sinnstiftenden Arbeit ohne den Zwang der Sorge für den Lebensunterhalt für sich und die Familie recht verlockend. Apropos: im November lief die Eintragungsfrist für das Volksbegehren »Bedingungsloses Grundeinkommen«.
Trends wie der Fachkräftemangel verstärken das momentane Ungleichgewicht. Auch die immer öfter beklagte laxe Arbeitsmotivation der sehr jungen Generationen, die »uns Alten« unverständlich erscheint und die wir glauben kompensieren zu müssen. Aber ist nicht genau diese Einstellung der Jungen die vernünftigere und gesündere – die uns Hoffnung geben darf? Oder auch das Beispiel der Firma eMagnetix in OÖ: 30 statt 38,5 Wochenstunden bei gleichem Gehalt – die Arbeitsabläufe wurden sinnvoll verkürzt ohne Pausen zu streichen, und alle fühlen sich gesünder und wohler.
Vielleicht ist Änderung der politischen Stimmung ein erster zaghafter Schritt hin zu neuen Möglichkeiten? Nachhaltigkeit nicht nur in Sachen Umwelt, auch was eine menschlichere Arbeitswelt angeht? Träumen wird man ja noch dürfen …
24 Prozent der Fehltage sind auf Rückenleiden zurückzuführen. IBG-Experte und Ergotherapeut Matthias Welkens bietet Firmen Analyse und Beratung zu Ergonomie an.
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Die Gründe, in die Arbeitsmedizin einzusteigen, sind für Ärztinnen und Ärzte vielfältig. Prävention, Work Life Balance, mögliche Teilzeitarbeit und einiges mehr. Arbeitsmedizin – ein interessantes Aufgabengebiet für Ärztinnen und Ärzte.
Ein Seminar rund um das Berufsbild der Arbeitsmedizin liefert gute Gründe, warum das Fachgebiet so spannend ist. Es wird geklärt, was den/die MedizinerIn bei der Betreuung von ArbeitnehmerInnen in Betrieben erwartet, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind und wie es mit der Work-Life-Balance aussieht. Ein Referententeam aus Betriebsmedizinern – darunter auch der Leiter der IBG-Arbeitsmedizin Linz, Dr. Manfred Lindorfer – stellen das Berufsbild des Arbeitsmediziners ausführlich vor. Nach kurzen Input-Statements gibt es die Möglichkeit zur Fragestellung und Diskussion. Approbiert: 2 sonst. Punkte
Montag, 14.10.2019, von 18:30 bis ca. 20:30 Ärztekammer OÖ, 4010 Linz, Dinghoferstraße 4 Anmeldung erforderlich: MedAK OÖ