New Work aus der Genderperspektive

Welche Hürden haben insbesondere Frauen in der neuen Arbeitswelt zu nehmen? Wie lassen sich Tele- und Care-Arbeit unter einen Hut bringen, der nicht zur Tarnkappe wird und ins Karriere-Abseits führt?

Befragt man Expert:innen zum Thema New Work, so werden u.a. Selbstorganisation, Kreativität oder flexible Arbeitsformen auf Vertrauensbasis mit gegenseitiger Verantwortlichkeit zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen genannt. Wird kritischer nachgefragt, so kommen Begriffe wie Entgrenzung oder auch juristische Fragestellungen wie Zeit- versus Ergebnisschuld ins Spiel. Denn Zeitschuld besagt zunächst einmal, dass Arbeitnehmer:innen zur Leistung einer festgelegten Anzahl an Arbeitsstunden verpflichtet sind, unabhängig von erzielten Ergebnissen. Ergebnisschuld bedeutet hingegen, unabhängig von der aufgewendeten Zeit ein bestimmtes Ergebnis zu liefern.

New Work steht mitunter im Widerspruch zur Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse, die auf Zeitschuld basieren und erfordert gleichzeitig ein fundamentales Umdenken in Führung und Management: Führungskräfte sind gefordert, Vertrauen zu schenken, Ergebnisse zu bewerten und Talente zu erkennen, anstatt Anwesenheiten zu kontrollieren. Betrachten wir New Work aus der Frauenperspektive, tauchen vor allem zwei Begriffe auf: Entgrenzung und Unsichtbarkeit – zwei alte Phänomene in neuem Gewand.

Vereinbarkeit und Entgrenzung

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stellt nach wie vor eine besondere Herausforderung für Frauen dar, insbesondere in der modernen Arbeitswelt. Frauen verbringen im Schnitt mehr Zeit mit Wegen als Männer, da sie einen größeren Anteil an unbezahlter Care-Arbeit übernehmen. Statt die durch Homeoffice gewonnene Zeit für sich zu nutzen, wenden sie diese oft für zusätzliche unbezahlte Aufgaben auf. Dies erhöht das Risiko für Burnout bei Frauen, während Männer die gewonnene Zeit eher für zusätzliche bezahlte Überstunden nutzen.

Gleichzeitig engagieren sich Männer nach wie vor wenig in der Kindererziehung und anderen Care-Arbeiten. Nur 20 % der Väter gehen für zwei Monate in Elternzeit, und nur 1 % der Väter übernimmt die Hälfte der Karenzzeit. Dadurch fehlen positive männliche Rollenvorbilder, die eine gleichberechtigte Aufteilung der Aufgaben vermitteln könnten. Bereits bei 10-Jährigen zeigt sich, dass Mädchen und Jungen entsprechend traditioneller Geschlechterrollen unterschiedliche Aufgaben im Haushalt übernehmen.

Auch in der Selbstwahrnehmung gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Frauen haben häufiger ein schlechtes Gewissen und neigen dazu, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. Männer hingegen überschätzen ihre Kompetenzen eher. Dieses Muster zeigt sich selbst in den jüngeren Generationen noch deutlich. Interessanterweise sind Frauen laut neuesten Studien im Durchschnitt besser qualifiziert als ihre männlichen Kollegen. Dennoch leiden Frauen häufiger am Impostor-Syndrom: Sie zweifeln an ihrer eigenen Leistung, fühlen sich oft unverdient erfolgreich und fürchten, »entlarvt« zu werden.

Unsichtbarkeitsfalle Homeoffice

Mitarbeiter:innen werden von ihren Führungskräften leichter übersehen, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Das ergibt sich einerseits daraus, dass als Leistungsnachweis statt dem Ergebnis die Arbeitszeit bzw. Sichtbarkeit als Person herangezogen wird. Nicht umsonst – und das ist nicht nur metaphorisch gemeint – flüchten Männer zunehmend aus dem Homeoffice, um ihre Karrieren und ihre Gehaltsentwicklungen nicht zu gefährden.

Frauen haben hier zumeist weniger Spielraum, da sie den überwiegenden Anteil der Care-Arbeit übernehmen. Andererseits gibt es sehr klare und gut verankerte Rollenbilder in den Köpfen der Menschen ergo Führungskräfte, die wiederum überwiegend männlich sind: Frauen machen Homeoffice, um nebenbei Kinder zu betreuen und Hausarbeit zu machen, leisten demnach weniger für das Unternehmen. Solche Bilder und damit einhergehende Verhaltensweisen von Führungskräften sind wirksam und stehen manchmal in deutlichem Kontrast zur nach außen getragenen Unternehmenskultur.

Darüber hinaus bevorzugen wir Menschen, die uns ähnlich sind. Werden Führungskräfte nach den Talenten in ihrer Organisation befragt, dann sind 65% der Talente Männer, weil die Führungskräfte eben auch vorrangig Männer sind. Gibt es unter den Führungskräften eine 50:50-Quote, so steigt auch die Frauenquote unter den Talenten deutlich.

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